Der Roman greift hochaktuelle Themen auf. Der Angriffskrieg gegen die Ukraine und seine Folgen spielen eine zentrale Rolle. Der Flüchtlingsstrom erreicht nun auch Schweden und viele Frauen und ihre Kinder werden zur Prostitution gezwungen. Der organisierte Menschenhandel nutzt die Hilflosigkeit und Verzweiflung dieser traumatisierten Menschen aus, um aus ihrem Leid den größtmöglichen Profit zu schlagen.
Doch es bleibt nicht nur bei diesem Thema, auch die „Flucht“ von russischen Oligarchen wird angesprochen und deren gewisse Angst vor vergifteten Tee, Fensterstürzen und anderen merkwürdigen endlichen Zufällen – in denen der russische Geheimdienst vielleicht seine Finger im tödlichen Spiel hat.
Brisante Themen also, die das Autorenpaar hier aufgreift und ihnen damit eine politische, aber auch menschliche Stimme verleiht. Das ist nicht selbstverständlich - das Risiko, hier zu polarisieren, nehmen sie in Kauf, was die beiden Drehbuchautoren nicht weniger sympathisch macht.
Es ist der achte Band der Reihe. Natürlich gibt es ein Wiedersehen mit den Figuren, die wir aus den vorherigen Bänden kennen. Es ist ein bisschen wie bei einer guten, traditionellen Familienfeier. „Das Auge der Nacht“ ist wirklich ein Fest. Spannende Lesestunden sind garantiert.
Als Olivia Rönning und Lisa Hedqvist ukrainische Flüchtlinge befragen, um Misshandlungen auf dem Fluchtweg zu dokumentieren, erfahren die beiden Polizistinnen von einem internationalen Netzwerk, das Menschenhandel organisiert. Wer steckt dahinter? • Tom Stiltons Partnerin Luna glaubt, dass er in einen Mordfall verwickelt war, aber Stilton scheint sich deswegen nicht schuldig zu fühlen. Als die Polizei ihn verhört, spitzt sich die Situation zu. Kann sie einen solchen Mann überhaupt lieben? • Ein Mann stürzt im Zentrum von Stockholm von einem Dach, nachdem er von zwei Männern gejagt wurde. Der Mann kann nicht identifiziert werden. Wer ist er, und wer hat ihn verfolgt? • Abbas, Toms und Olivias Freund, erhält unerwarteten Besuch von seiner Mutter, die er seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen hat – eine schockierende Begegnung. Warum hat sie ihn aufgesucht? Alles hat mit einer Luxusjacht an der französischen Riviera und einem unbezahlbaren Schatz zu tun – einem verschwundenen Fabergé-Ei namens Auge der Nacht. (Verlagsinfo)
Allein die Handlung verspricht nicht nur souveräne Spannung, sondern auch hohe Emotionalität, gerade wenn „Unschuldige“, vom Krieg Vertriebene, wieder einmal Opfer werden. Das Schicksal kann ein verdammt schlechter Verräter sein.
Die Entwicklung der Geschichte ist manchmal langsam und flankiert von einigen, auch privaten Nebengeschichten, dauert es ein wenig, bis die Atmosphäre ein Niveau erreicht, dem man sich nicht mehr entziehen kann. Dennoch gelingt es dem Duo, jede einzelne Figur so gut in Szene zu setzen, dass dieser Roman zu einem der stärksten in der Reihe wird.
Abbas' Rolle hätte ich mir intensiver vorgestellt, ebenso wäre es gut gewesen, wenn Tom Stiltons Charakter mehr Substanz hätte. Diese Rastlosigkeit, ohne wirklich ein Ziel vor Augen zu haben: Das nimmt man ihm nicht mehr ab. Sicherlich ist er durch seine Zeit als Obdachloser posttraumatisiert. Aber dieses innere Wartezimmer, in dem er sich freiwillig eingerichtet hat, muss langsam verlassen werden..
Olivia Rönning hingegen hat ihre berufliche Rolle fest im Griff, doch ihr Privatleben ist ein Katastrophengebiet mittlerer Größe, in dem jede Entscheidung eine emotionale Tretmine auslöst. Schön, dass bei diesem "Familientreffen" auch die privaten Herausforderungen thematisiert werden - aber etwas weniger Bühne wäre in Zukunft schön.
Leider wirkt es auch etwas zu konstruiert und unglaubwürdig, dass sich fast alle Handlungsstränge zu einem guten Ende zusammenfügen.
Trotz dieser kleinen Kritikpunkte: „Das Auge der Nacht“ ist ein Pageturner und auf jeden Fall eine Leseempfehlung. Allerdings kann ich jedem Leser und jeder Leserin nur empfehlen, zunächst mit Band 1 zu beginnen. Viele interne Anspielungen und Charakterentwicklungen bleiben sonst im Schatten der Handlung und diese sind wirklich tragend, um die Charaktere besser interpretieren zu können.
Fazit
Ein Garant für Spannung mit vielen aktuellen Themen, die polarisieren können. Großartige Charaktere, großartige Spannung. Im Norden wird immer noch gerne gemordet... und bei diesem Krimi kann man nachts kein Auge zudrücken.
Michael Sterzik
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