Nachdem ihre Großmutter Nora gestürzt ist und nun sterbend im Krankenhaus liegt, kehrt die Journalistin Jess Turner-Bridges nach zwanzig Jahren in London in ihre Heimat Australien zurück. Einst wuchs sie bei der einflussreichen Frau auf, schaute zu ihr auf und beide entwickelten eine starke Bindung. Doch die Worte, die Nora im Krankenbett vor sich hin murmelt, machen für ihre Enkelin keinen Sinn und was wollte die alte Dame auf dem Dachboden, auf dessen Treppe sie gestürzt ist? Der Dachboden, den sie sonst mied wie die Pest? Vielleicht könnte Jess Nora beruhigen, wenn sie wüsste, was diese belastet.
Tatsächlich finden sich bald Verbindungslinien zu einem weit zurückliegenden Ereignis, das Noras Leben traumatisch beeinflusst hat. Im Jahr 1959 wurden ihre Schwägerin und deren drei Kinder tot an einem Wasserloch auf ihrem Grundstück in den Adelaide Hills gefunden. Vom vierten Kind, dem Säugling Thea, gab es keine Spuren bis schließlich seine leiblichen Überreste Jahrzehnte später gefunden wurden. War es Mord? Ein erweiterter Selbstmord oder ein tragisches Unglück? Es wurde nie geklärt. Jess weiß, sie will nicht nur für Nora, mehr herausfinden.
Als Fan der Autorin musste ich selbstverständlich auch ihr neuestes Werk so schnell wie möglich lesen.
Kate Morton enttäuscht nicht, liefert mit Heimwärts die typischen Ingredienzien ihrer Werke:
Zwei Haupzeitebenen, auf denen sich ein (oder mehrere) spannende Geheimnisse entfalten und offenbaren, sich Figuren, Orte und Ereignisse aus Vergangenheit und Gegenwart verbinden und zu einem mehr oder weniger versöhnlichen Abschluss gebracht werden. Im Lauf ihrer Karriere hat sie es darin zu einer Kunstfertigkeit gebracht, die ihresgleichen sucht. Sie wurde oft kopiert, aber nie erreicht.
Ihr Können stellt sie auch dieses Mal unter Beweis und hat wieder eine überaus facettenreiche, verschachtelte und spannende Geschichte geschaffen. Es gibt viele Wendungen, mal mehr, mal weniger überraschend oder glaubwürdig, und Aspekte, die es zu entdecken gilt. Sehr geschickt werden die Zeitebenen und die vielen Geschichten der extrem zahlreichen Figuren miteinander verwoben. Besonders gelungen ist die Einbettung der Vergangenheit in Form eines Sachbuchs, das die Tode der Turner-Familie und die folgenden Ermittlungen nachzeichnet. Damit springt sie zudem auf den aktuellen Trend des „True Crime“ auf. In Bezug auf die Konstruktion der Geschichte und der Figurenschar hat sich die Autorin dieses Mal sogar selbst übertroffen.
Doch das Vergnügen bleibt nicht ungetrübt, denn der Roman enthält auch Aspekte, die mir weniger bis gar nicht gefallen haben.
Einerseits neigt Morton zur Schwafelei. Das Personal in Heimwärts ist ohnehin sehr groß und bringt viele Informationen mit sich, aber auch Figuren, die nur minimale Randerscheinungen sind, bekommen noch eine Hintergrundgeschichte verpasst. Außerdem werden zu viele alltägliche Tätigkeiten, Natur- oder Ortsbeschreibungen detailliert erzählt. Irgendwann ließ sich der Eindruck nicht mehr abschütteln, dass so die Seitenzahl erhöht werden soll. Dabei wäre der Roman auch ohne all das nicht gerade dünn ausgefallen.
Umfangreich sind außerdem die Themen, die behandelt werden. Von der Definition von „Heimat“, über die Bedeutung von Büchern über den familiären Einfluss auf die Charakterentwicklung u.a.. Besonders ausführlich widmet sich Morton der „Mutterschaft“ und überfrachtet das Thema (z.B. mit der angeblichen Selbstaufopferung, die eine „gute Mutter“ ausmacht), was dann stellenweise doch etwas zu viel das Guten ist.
Der zweite negative Punkt ist, dass es viel zu viele glückliche Zufälle gibt, die zu Entdeckungen führen. Irgendwann ist es einfach lächerlich und unglaubwürdig, wirkt nicht mehr authentisch, sondern konstruiert. Das ist es natürlich auch, sollte aber nicht so scheinen.
Leider schafft es die Autorin selten, mich völlig für ihre Figuren einzunehmen. Zwar sind sie mit einer Vergangenheit, Eigenschaften, Marotten, Fehlern und Motivationen ausgestattet, bleiben mir aber trotz ihrer menschlichen Qualitäten unsympathisch oder egal. Vielleicht liegt es an dem Hauch der Überhöhung, der sie alle begleitet. Für mich besteht der Reiz von Mortons Romanen aber ohnehin in dem zu entschlüsselnden Geheimnis. Dies war auch hier wieder absolut der Fall.
Letztlich ist Heimwärts ein toller Sommerschmöker mit leichten Längen, in den sich nicht nur Fans versenken und in eine andere Welt und Zeit reisen können.
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