Das Paradies meines Nachbarn von Nava Ebrahimi

Nava Ebrahimi Das Paradies meines Nachbarn

Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin 2021

Die in Teheran geborene Autorin Nava Ebrahimi erzählt von Söhnen und ihren Müttern, von Entwurzelung und Entzweiung, von den Brüchen im Leben. Ein ergreifender Roman von einer der »aufregendsten Gegenwarts-Schriftstellerinnen in deutscher Sprache.« (ORF)

»Salam, hier schreibt Ali-Reza. Ich kannte ihre Mutter gut und verfüge über einen Brief, den ich Ihnen überreichen soll. Es ist wichtig. Für Sie mindestens so sehr wie für mich.« Ali Najjar stammt aus Teheran und glaubt, seine Vergangenheit weit hinter sich gelassen zu haben. Als Kindersoldat hat er das Grauen des Iran-Irak-Kriegs erlebt, aber seine Haut retten können. Später klettert er mit seiner Haltung »Ich war an der Front, ich kenne keine Angst« als Produktdesigner in Deutschland die Karriereleiter hoch. Der Iran, Teheran, seine Familie sind für ihn inzwischen eine fremde Welt. Dann erreicht ihn die Nachricht eines Unbekannten. Ein Freund seiner verstorbenen Mutter aus Teheran bittet ihn um ein Treffen auf neutralem Grund. Ali Najjar schickt seinen Kollegen Sina, Halbiraner und in einer beruflichen Sinn- und privaten Ehekrise, an seiner Statt an den Persischen Golf. Er selbst scheut die Begegnung. Aus gutem Grund.

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Leserstimmen Das sagen andere LeserInnen

  • Von: notwithoutmybooks

    Sina arbeitet als Designer und kann bisher für sich reklamieren, "Der Iraner" in der Firma zu sein. Doch nach dem Tod des Kreativchefs übernimmt Ali Najjar die Leitung, ein höchst angesehener exzentrischer und ebenfalls iranischstämmiger Designer. Das führt dazu, dass beide als Iraner miteinander in Kontakt treten, äußere Erwartungen an ihre Beziehung gestellt werden, sie aber ineinander auch irgendwie etwas Vertrautes suchen, vielleicht eine Art Verbindung, die so einfach aber nicht ist, weil Ali Najjar Sinas Vorgesetzter ist. Dass ersterer dann einen Brief zum Tod seiner Mutter erhält und Sina bittet, ihn auf eine Reise zu begleiten, macht die Sache nicht leichter. Es gibt diese Idee, dass Menschen mit Migra-Geschichte homogene Blöcke bilden, einerseits, und dass ihr Leben vor der Migration auch irgendwie nur auf eine "fremde" Identität reduziert wird, andererseits. Dass also der "Iraner" aus dem Iran kommt, aber wie sein Leben dort aussah interessiert maximal dann, wenn sich daraus voyeuristisch irgendeine Elendsgeschichte stricken lässt, die am Ende bestätigt, dass er es ja hier viel besser hat, denn dort drüben gab es Krieg. Und auch sonst dient die stets unterstellte Fremdheit als Dreh- und Angelpunkt des Redens über die entsprechenden Personen und prägt die Erwartungen an diese - der erfolgreiche Migrant, der überhebliche Migrant, wir alle kennen es. Nava Ebrahimi demonstriert in "Das Paradies meines Nachbarn" (Reziexemplar) subtil und mit sehr vielen Grautönen, dass dieses Reden häufig sehr wenig mit den realen Personen zu tun hat - und dass gleichzeitig aber die dominanzgesellschaftlichen Erwartungen an Menschen mit Migrationsgeschichte diese Leben massiv prägen, dass es ein ständiger innerer Kampf ist, ob man dem nachgibt oder nicht, die Erwartungen erfüllt oder irritiert. Dass dieses Unwissen und nur oberflächliche Interesse auch strategisch ausgenutzt werden kann. Und natürlich ist klar, dass man es nie richtig schafft, weil man immer "der*die Migrant bleibt. Dabei geht natürlich auch die Individualität verloren, denn, das führt Ebrahimi am Beispiel dieser beiden sehr unterschiedlichen Männer vor, von denen einer als Jugendlicher nach Deutschland kam und einer hier geboren wurde, die nicht viel miteinander gemein haben, außer dass sie in derselben Branche arbeiten, sie werden ziemlich selbstverständlich auch als sehr ähnlich wahrgenommen. Und diese äußerlichen Erwartungen wiederum führen dazu, dass Sina und Ali Najjar ein Zweckbündnis eingehen, dass sich Sina als Ali Najjars Angestellter verpflichtet fühlt, die Reise mit ihm anzutreten und Ali Najjar ihm als Perser unterstellt, bestimmte Kenntnisse (beispielsweise Farsi) zu haben, die er nutzen kann. Nava Ebrahimi hat es mir nicht leicht gemacht, mich ihren Figuren zu nähern. Während mich das beim Lesen teilweise genervt hat, denke ich mittlerweile aber, dass genau das auch die Absicht war, denn schließlich spielt die Irritation von Klischees und die auch moralische Widersprüchlichkeit der Personen eine zentrale Rolle. Dass sie sich unerwartet verhalten und gerade nicht so, wie ich es als Leserin aus der Mehrheitsgesellschaft erwarte, ist also nur konsequent und führte am Ende auch dazu, dass mich der Roman noch länger beschäftigte. Es ist also trotz der etwas über 220 Seiten ein Buch, das etwas Zeit braucht. Diese zu investieren, lohnt sich aber. Nicht zuletzt natürlich auch, weil Ebrahimi 2021 den Ingeborg-Bachmann-Preis erhielt - woraus man auch schon auf ihre literarischen Fähigkeiten schließen kann.
  • Von: aruajuanita

    Das Paradies meines Nachbarn ist eines dieser Bücher, das ich schon sehr lange auf meinem Regal stehen hatte, aber nie zum Lesen gekommen bin. Auf Empfehlung habe ich es endlich angefangen und innerhalb eine Tages fertig gelesen. Mich fasziniert der Roman auf so vielen Ebenen. Obwohl es sehr oft kritisiert wurde, finde ich diesen kleinen Einblick in das Leben der Protagonisten sehr gut gemacht. Mir war es nicht wichtig zu wissen, mehr über sie zu erfahren, weil das, was sie prägt, was sie ausmacht, was ihnen schlaflose Nächte bereitet, wurde ausreichend thematisiert. Auch sprachlich fand ich den Roman sehr realistisch, weil nichts verschönert wurde. Angliszismen, Fachwörter, Beleidungen, alles wurde richtig eingesetzt und gaben das Gefühl, dass es anders gar nicht sein kann; dass Designer:innen ja tatsächlich so reden würden. Realistisch fand ich aber auch die Handlung an sich. Kriegstrauma ist nicht zu unterschätzen, auch wenn man ihn selbst nie direkt erlebt hat. Durch intergenerationelles Trauma wird das mitgegeben und weitergetragen. Sich davon loszulösen ist keine Einfachheit. Abgesehen davon fand ich die Beschreibung der Deutschen, die sich über Kriegsgeschichten immer freuen und keinerlei Grenzen bei der ständigen Fragerei haben, sehr akkurat. Alles in allem: ein Roman, den ich empfehlen würde. Nicht unbedingt, weil er unterhaltsam ist, sondern eher, damit man lernt, wie man mit Menschen mit Fluchtbiographie kommunizieren soll. Ihre Geschichten dürfen kein Teil von pseudo-lustigen Parties sein, denn sie sind mit viel unverarbeiteten Trauma verbunden.
  • Von: Caesar

    Ali war Kindersoldat in Iran-Irak Krieg und floh mit 14 Jahren nach Deutschland. Dort legt er eine große Karriere als Produktdesigner hin. Doch als er eines Tages eine Nachricht eines ihm unbekannten Mannes bekommt, der einen Brief seiner verstorbenen Mutter besitzt, holt ihn seine Vergangenheit ein. Ali schickt seinen Arbeitskollegen Sina, um den Brief in Empfang zu nehmen. Doch was passiert, wenn Ali den Brief liest? Wir erfahren die Wahrheit über Ali, seine Mutter, den Unbekannten und Sina. Das Schicksal dreier Männer, deren Leben sich durch einen Brief verändert. In Alis Leben bringt er Licht & Schatten gleichzeitig und ist gleichzeitig der emotionale Höhepunkt des Buches, bei dem mir einige Tränen gerollt sind. Das Buch ist von der ersten Seite an spannend und emotional. Es gibt immer wieder Rückblenden in Alis Vergangenheit und es wird aufgezeigt, welche Rolle alles in Sinas Leben spielt. Das Buch regt sehr zum Nachdenken an, welche Handlungen im eigenen Leben das Leben Anderer stark verändert haben könnte. Der Schreibstil ist sehr flüssig und leicht zu lesen. Das Buch ist speziell geschrieben, da teilweise erst nach einigen Seiten klar wird von wem gerade die Rede ist. Außerdem erfährt man sehr viele ausschlaggebende Informationen erst am Ende, was die komplette Geschichte, Thematik und Sicht die man auf die Charaktere hat verändert. Ich gebe dem Buch 4 Sterne, da es spannend und von der Thematik einfach mal etwas außergewöhnlicheres war.
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