Der Morgenstern von Karl Ove Knausgård

Karl Ove Knausgård Der Morgenstern

Es ist Sommer in Norwegen. Eigentlich eine beschauliche, sonnengetränkte Zeit. Doch nun scheint etwas aus den Fugen geraten zu sein. Krabben spazieren an Land, Ratten tauchen an überraschenden Stellen auf, eine Katze kommt unter seltsamen Umständen ums Leben. Kurzum: Die Tiere verhalten sich wider ihre Natur. In seinem neuen Roman schildert Karl Ove Knausgård eine Welt, in der die Natur und die Menschen aus dem Gleichgewicht sind, obwohl das Buch eigentlich ganz realistisch vom Leben einiger Menschen, neun an der Zahl, während mehrerer Hochsommertage erzählt, und zwar in deren eigenen Worten. Da ist der Literaturprofessor Arne, der mit seiner Familie die Tage im Sommerhaus verbringt, an sich selbst zweifelt und mit seinem Nachbarn Egil über den Glauben an Gott diskutiert. Da ist die Pastorin Kathrine, die plötzlich merkt, dass sie ihre Ehe als Gefängnis empfindet. Da ist der Journalist Jostein, der auf einer exzessiven Trinktour von den mysteriösen Morden an Mitgliedern einer Death Metal Band hört, während seine Frau Turid in einer psychiatrischen Anstalt als Nachtwache arbeitet. Ihnen allen unerklärlich ist das Auftauchen eines neuen Sterns am Himmel, den auch die Wissenschaft nicht wirklich erklären kann. Ist er der Vorbote von etwas Bösem oder im Gegenteil die Verheißung von etwas Gutem?

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Leserstimmen Das sagen andere LeserInnen

  • Von: floskel

    Gleich vorweg: Ich bin eine große Liebhaberin von Knausgårds sechsbändigem autobiografischen Projekt. Wie es nun weitergehen würde mit dieser Liebe, war mir bis zuletzt nicht ganz klar, denn in seinem neuen – ebenfalls mehrbändigen – Romanprojekt geht es fantastisch und dystopisch zu (eigentlich so gar nicht mein Fall). Den ersten Teil dieser Reihe bildet „Der Morgenstern“, der von einem neu am Himmel erscheinenden Riesenstern handelt, der eine ganze Menge an kuriosen Begebenheiten mit sich bringt: Zunächst noch realistisch wird der Alltag von neun sehr unterschiedlichen Personen erzählt, der zunehmend aus den Fugen gerät. Wie auch in seinen Vorgängerwerken stellt Knausgård hierbei die großen Fragen nach Tod, Glauben, Sinn und Wissen – in der typischen knausgård‘schen Art: äußerst ausführlich und gespickt mit vielen essayistischen Exkursen in Theologie und Philosophie. Deshalb ist es vermutlich nicht verwunderlich, dass meine ersten beiden Anläufe „Der Morgenstern“ zu lesen, im Sande verlaufen sind: Das Buch ist im April des Vorjahres erschienen und zu dieser Zeit war es mir einfach nicht möglich, mich darauf einzulassen… Nun, beim dritten Anlauf, hat es endlich geklappt! Und ich bleibe dabei, so fantastisches/dystopisches Zeug ist so gar nicht meins EIGENTLICH… Denn ja, überraschenderweise habe ich „Der Morgenstern“ äußerst gern gelesen. Die verschiedenen Elemente und Bausteine haben sich für mich stimmig zusammengefügt. Wie auch sonst bei Knausgårds Büchern, brauchte es dazu aber ein nicht gerade kleines Maß an Konzentrationsfähigkeit und vor allem Muße. Wer dies aber aufbringen kann und will, wird meiner Meinung nach reich belohnt: mit einer düsteren, spannenden, anregenden und unterhaltsamen Lektüre voller Bezüge zu aktuellen Krisen. Ich freue mich jedenfalls schon auf den zweiten Teil, der in einem Monat erscheint.
  • Von: Marie

    In "Der Morgenstern" zeigt uns Karl Ove Knausgård das ganz alltägliche Leben von fünf Frauen und vier Männern. Es wird gearbeitet, geliebt, geweint und gestorben. Und es wird sehr körperlich, denn der Autor macht weder vor der Schlafzimmer- noch vor der Badezimmertür halt. Wir werden in den Tag eines Menschen hineingeworfen und wieder herausgezogen, so als ob man durch das Fernsehprogramm zappt. Manche Personen tauchen nur kurz auf, wie z. B. Vibeke, die ein Geburtstagsfest für ihren Mann vorbereitet. Manche länger, wie der Journalist Jostein, der mit seiner Arbeit im Kulturbereich hadert, in den er wegen eines nur kurz gestreiften Vorfalls abgeschoben wurde. Gemeinsam haben sie nur wenig. Sie wohnen in der Küstenstadt Bergen, wundern sich über die ungewöhnliche Hitze und schauen alle mehr oder weniger besorgt zu diesem neuen Stern hinauf. Manche Geschichten werden minimal verflochten, so wie die von Egil, der an seine erste Liebe Kathrine zurückdenkt, die nun als Pastorin arbeitet und in einer unglücklichen Ehe feststeckt. Insgesamt haben die Personen aber wenig bis gar nichts miteinander zu tun. Karl Ove Knausgård spielt gekonnt mit den verschiedenen Erzählsträngen, lässt die Menschen in ihrem jeweiligen Kapiteln als Ich-Erzähler auftreten. Sie sind auch ein Gerüst für große Fragen, die der Autor in sein Werk eingebaut hat: Klimawandel, Freiheit, das Leben nach dem Tod, Religion. Dabei wird es gerade zum Ende sehr philosophisch und es braucht Konzentration, den Gedankengängen zu folgen. Es lohnt sich, da man mit einem großartigen Roman belohnt wird. Sperrig finde ich ihn absolut nicht, im Gegenteil, er ist sehr gut lesbar. Durch die knapp 900 Seiten bin ich förmlich geflogen. Und was ist nun mit dem Morgenstern? Über dessen Bedeutung lässt Knausgård seine Charaktere im Unklaren – so wie auch den Leser. Überhaupt scheint der Autor Spaß daran zu haben, Geschichten aufzuwerfen und sie einfach wieder fallen zu lassen, so wie die von Emil, der in einem Kindergarten arbeitet und versehentlich ein Kind vom Wickeltisch fallen lässt. Aber vielleicht werden diese Geschichten später wieder augegriffen? Weitere Bücher sind geplant und die Veröffentlichung für "Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit" (was für ein wunderbarer Titel!) wurde bereits für Februar 2023 angekündigt. Fazit: "Der Morgenstern" ist ein tiefgründiger Roman, der in anspruchsvollen Episodengeschichten das alltägliche Leben von neun norwegischen Menschen beleuchtet. Ein hervorragender Schreibstil und sehr gut ausgearbeitete Charaktere machen Karl Ove Knausgårds Buch zu einem Lesefest.
  • Von: luisa_loves_literature

    Karl Ove Knausgårds „Der Morgenstern“ ist ein monumentaler Episodenroman, angesiedelt im Universum von „Es gibt mehr Ding‘ im Himmel und auf Erden/Als Eure Schulweisheit sich träumt“ (Shakespeare, Hamlet), „In me thou seest the twilight of such day“ (nochmal Shakespeare, Sonett 73 – ich kann nichts dafür: Shakespeare kannte sich eben aus), biblischer Weisheit und „The Sixth Sense“. Federleicht am Rand des Irrationalen schwebt Knausgårds Roman völlig entschleunigt durch die norwegische Landschaft rund um Bergen und beschreibt die kleinen, banalen, alltäglichen Leben ganz normaler, belasteter und meist nicht sonderlich sympathischer Menschen, die durch das ein oder andere verbunden sein mögen – oder eben auch nicht. Auf der Suche nach diesen (nicht-)existenten, zarten Linien der Vernetzung wird man als Leser sehr gefordert, denn der Roman ist thematisch äußerst anspruchsvoll und liest sich doch so leicht weg wie ein Norwegen-Krimi – eine große Leistung. Der Anspruch der Lektüre resultiert aus Knausgards Gedankenspielen, seinem beständigen Einflechten von Ereignissen, die merkwürdig sind und gar nicht sein können, sodass man ständig bemüht ist, einen Sinn zu erschaffen, ein Verständnis zu erlangen, das Abstruse auszugleichen, zu erklären – so ist das menschliche Gehirn schließlich geartet. Im Grunde genommen versucht Knausgård genau dies mit seinem „Morgenstern“ herauszustellen: wir können nur sehen, was wir erklären können, wir nehmen nur wahr, was wir mit unserer Sprache beschreiben können – liegt etwas außerhalb unserer Realität und Ratio, dann existiert es nicht. In genau diese Grauzone unserer Erkenntnisfähigkeit dringt der Roman zunehmend vor und liefert zahlreiche Anstöße zum (Mit-)Denken bis er zum Ende hin mit Hingabe in surreale Traumwelten im Stile von Neil Gaiman abdriftet, schließlich zwischen metaphysischen und philosophischen Reflexionen fast zum Sachbuch wird und zu einem Schluss findet, der nach einer Fortsetzung verlangt – oder eben auch nicht, denn auf viele Fragen und vor allem die eine existentielle Frage nach Leben und Tod gibt es eben einfach keine Antwort. Ich habe diesen klugen, außergewöhnlichen Roman sehr genossen, auch wenn sich auf den knapp 900 Seiten die ein oder andere Länge, vor allem in den religiösen Ausführungen, eingeschlichen hat und ich, nachdem ich mich gerade gefreut hatte, dass Knausgård ohne übertriebene Körperlichkeit auskommt, unmittelbar eines Besseren belehrt wurde. Der Text hat mich gedanklich mitgerissen und fasziniert, vor allem auch, weil Knausgård so schreibt, wie ich es mir oft von Autoren wünsche: furchtlos, befreit und auf eine seltsame Weise auch rücksichtslos, ohne den Wunsch, seinem Leser zu gefallen – das weiß ich sehr zu schätzen. Der Roman ist eine intelligente Lektüre, die nachdenklich und unruhig macht, bereichernd, begeisternd, bedrohlich und beklemmend. Ein absoluter Lesetipp für alle, die nicht nur einfach unterhalten werden wollen, sondern sich an lose Erzählfäden trauen, keine Antworten auf Fragen erwarten, aber aus einem Roman so einiges mitnehmen möchten.
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