Der Sandkasten von Christoph Peters

Christoph Peters Der Sandkasten

Christoph Peters hat einen Roman geschrieben, wie es ihn seit Wolfgang Koeppens "Das Treibhaus" nicht gegeben hat: eine schonungslose Bestandsaufnahme der politischen Kultur eines ganzen Landes.

Siebenstädter hat schon alles gesehen. Als Moderator einer Politsendung im Radio kennt er sich aus mit den Spielregeln der Berliner Spitzenpolitik, dem Schattenreich der Hinterzimmer, mit der Gnadenlosigkeit eines Betriebs, dem es nur um Machterhalt geht. Siebenstädter ist so beliebt wie berüchtigt, einer, der an gar nichts glaubt und sich prädestiniert fühlt, die Lügen der Eliten aufzudecken. Mit der Coronakrise jedoch verändert sich das Spiel: Siebenstädter hat ebenso Zweifel an den staatlichen Maßnahmen wie Abscheu gegenüber Verschwörungsgläubigen. Unerwartet erhält er das Angebot der Liberalen, die Seiten zu wechseln, während Maria Andriessen, aufsteigender Stern der Sozialdemokratie, sich mehr für ihn zu interessieren scheint, als es bei einem verheirateten Mann angemessen wäre. Vor allem aber spürt Siebenstädter, dass seine Zeit langsam abläuft – warum also nicht alles auf eine Karte setzen?

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Leserstimmen Das sagen andere LeserInnen

  • Von: nil_liest

    Ich erinnere mich noch gut an die Lektüre von Wolfgang Koeppens Treibhaus in der Oberstufe, auch wenn es aus heutiger Perspektive lange her ist. Spricht für das Geschriebene und nun hat Christoph Peters ihn gleich auf der ersten Seite erwähnt und seinen Roman „Der Sandkasten“ ins Verhältnis gesetzt. Kühn, aber berechtigt. Es ist auf knappen 250 Seiten zum einen eine Satire über den Typus erfolgreicher weißer Medienmann im besten Alter von 52 Jahren mit sehr viel jüngerer Frau und als Moderator einer Morgensendung im öffentlich rechtlichen Fernsehen erfolgreich. Er fragt sich zu Recht was kommt nun? Denn seine Art der medialen Weltbeschallung ist Schnee von gestern und er eckt an und weiß aber nicht so Recht warum und wie da raus! Zum anderen ist der Roman eine Persiflage auf das politische Berlin. Der Roman spielt im November 2020 und wir sehen förmlich den ein und anderen Politiker vor dem Auge, auch wenn die Namen andere sind. Auch Corona wird hier ein Thema, wie es eben so war im Jahr 2020. Geballte bitterböse Satire – mir hat die Lektüre Spaß gemacht und ich freue mich auf den bald erscheinenden zweiten Roman von Christoph Peters „Krähen im Park“.
  • Von: Marina Büttner

    Schon ein wenig auffallend, wie wenig Christoph Peters neuer Roman Der Sandkasten im Feuilleton und auf den Buchblogs vertreten ist. Mag man nichts über Kritik an der Presse lesen? Ich jedenfalls war nach der Leseprobe sofort angefixt und habe einen kurzweiligen, aufdeckenden und gesellschaftskritischen Roman gelesen, der noch dazu mit aktuellen deutschen Politikern aufwarten kann, die zwar andere Namen tragen, aber fast immer leicht zu erkennen sind. Der Roman spielt im Herbst 2020. Die Seuche hat Deutschland im Griff. Der Journalist Kurt Siebenstädter stellt unbequeme Fragen. Er arbeitet beim Morgenmagazin des Öffentlich Rechtlichen Rundfunks im Hauptstadtbüro. Die Zeit läuft ihm davon. Er ist um die 50 und eckt bei den jüngeren Kollegen, aber auch bei seinen Vorgesetzten immer öfter an, weil er sich nicht anpassen will an die neuen „Regeln“ und ungeschriebenen Gesetze, die ihm auch von seiner 13-jährigen Tochter gespiegelt werden. Er mag nicht der Politik und den Herrschenden nach dem Munde reden. „Ich plädiere gar nicht. Ich bin ja kein Mediziner auch kein Virologe und sowieso sehe ich meine Aufgabe nicht darin, den Leuten politische Maßnahmen zu verkaufe. Als Journalist mit einem relativ breit aufgestellten Format bin ich dafür zuständig, zu allen, die Macht ausüben, kritische Distanz zu wahren und erst mal sämtliche Gründe aufs Tapet zu bringen, die gegen die jeweiligen Entscheidungen sprechen, ganz egal worum es geht und auch unabhängig davon, was ich selber denke.“ Mit seiner Frau lebt er im eigenen Haus, gleich nach der Wende gekauft. Doch die beiden haben sich kaum mehr etwas zu sagen. Irene ist jünger, hat sich weiter entwickelt. Siebenstädter kaum. Er schwelgt mitunter in erotischen Fantasien, was die Politikerin Maria Andriessen betrifft, mit der er beruflich oft Kontakt hat. Von ihr erfährt er dann auch eines Abends in ihrem Büro brisante Neuigkeiten über den Gesundheitsminister Sven Scheidtchen (damals noch nicht Karl), mit dem er am nächsten Morgen ein Radiointerview führen soll. Statt dass dieser Abend ins Private übergeht, wie er sich erhoffte, wird er zu seinem Chef beordert, der ihm vorsichtig nahelegt, nicht mehr so provokante Fragen in Interviews vor allem zum Thema Pandemie zu stellen. Und um noch eins drauf zu setzen, lädt ihn der Chef der liberalen Partei Martin Buchner (ja, Christian Lindner) ins Parteibüro ein und unterbreitet ihm ein beinahe unwiderstehliches Angebot der beruflichen und finanziellen Veränderung. So geflasht und alkoholisiert macht er sich auf den Weg nach Hause und auch dort wartet seine Frau Irene mit Neuigkeiten über die Tochter. Nach soviel Input kommt Siebenstädter lange nicht zur Ruhe, obwohl er am frühen Morgen um 4 Uhr schon wieder aufstehen muss. Im Studio läuft zunächst alles normal, bis es im Interview mit dem Gesundheitsminister zu einem Showdown kommt, der ihn allerdings auch selbst aus dem Ruder laufen lässt … Peters Roman wagt einen Blick ins Tagesgeschäft von Politikern, damals und heute. Er schickt einen Journalisten ins Rennen, der noch mit ganz anderen Bedingungen in seinen Beruf gestartet ist, als sie heute im Digitalen Zeitalter gegeben sind. Werte und Vorstellungen sind heute ganz anders gelagert. Für ihn oft unverständlich zumindest aber umstritten. Ihm wohnt eine natürliche Skepsis inne, die manche Journalisten heute durchaus vermissen lassen. Auf viele Leser*innen könnte Siebenstädter unsympathisch wirken, mich erinnerte er an eine Zeit, die ich so auch noch kenne und die mir aufrichtiger, sinnerfüllter und unabhängiger erschien. „Regelmäßig kamen Beschwerden von Abgeordneten, Parteivorsitzenden, Mandatsträgern, Kommentarschreibern. Die einen beschuldigten ihn, ein verkappter Rechter zu sein, die Nächsten hielten ihn für linksextrem, er galt als Kapitalismuskritiker, Kirchenfeind, Islamhasser, Frauenverächter – alle hatten recht und unrecht. In Wahrheit glaubte er nichts und letztlich nicht einmal das.“ Witzig auf jeden Fall das Personal des Romans, das oft ganz eindeutig tatsächlich lebende Personen einbezieht und mitunter frech karikiert. Allen voran Prof. Bernburger alias Karl Lauterbach. Die Literaturkritikerin Dora-Maria Stachel taucht auf und ist unschwer als Thea Dorn zu erkennen. Der Philosoph Nida-Rümelin heißt Vechta-Grabbeking. Für mich eindeutig ein nachdenklich machender Lesespaß.
  • Von: eschenbuch

    Inhalt: Lange Zeit war Kurt Siebenstädter ein gefragter und gern gehörter Journalist. Doch die Welt hat sich geändert: Immer wieder eckt Siebenstädter mit seinen Äußerungen an; es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis er eine terminale Grenze übertritt, sodass er für seinen Sender untragbar wird. Doch dann ändert sich von einem Tag auf den nächsten alles… Persönliche Meinung: „Der Sandkasten“ ist ein politischer Gegenwartsroman von Christoph Peters. Der Roman spielt an einem einzelnen Tag zu Beginn des zweiten Lockdowns: dem 9. November 2020 (Der 9. November wird häufig als „Schicksalstag“ der deutschen Geschichte bezeichnet, was die Wahl dieses Tages als Handlungszeitpunkt umso interessanter macht). Erzählt wird die Handlung hauptsächlich aus der personalen Erzählperspektive von Kurt Siebenstädter (kurzzeitig wird auch die personale Perspektive von Prof. Bernburger, einem Gesundheitsexperten, eingenommen, aber diese fällt inhaltlich nicht so stark ins Gewicht). Trotz der personalen Perspektive erhält man tiefe Einsichten in die Gedankenwelt Siebenstädters: So finden sich häufig innere Monologe, in denen sezierend die Gedanken Siebenstädters offengelegt werden. Dabei offenbart sich Siebenstädter als zynischer und polemischer Anti-Held, der nahezu eigenschaftslos ist. Genau genommen hat er eine primäre Eigenschaft, mit der er bisher immer erfolgreich war: Er hinterfragt alles, räsoniert permanent, kommt aber nie zu einem endgültigen Ergebnis. Jetzt, wo diese Eigenschaft auf seiner Arbeit nicht mehr gefragt ist, fängt er an, das Räsonieren nach innen – auf sich selbst – zu richten, wodurch ihm bewusst wird, wie zerrissen er eigentlich ist. Dies führt letztlich zur eigenen Selbstdemontage. Neben Siebenstädter spielt auch die (politische) Öffentlichkeit der Gegenwart eine Rolle: Mehrfach baut Peters Figuren in die Handlung ein, die verschiedenen Politikern nachempfunden sind. Der Titel „Der Sandkasten“ besitzt dabei eine zweifache Bedeutung: Einerseits ist Siebenstädter, dadurch, dass er nie zu einer Meinung kommt und alles hinterfragt, formbar wie Sand. Andererseits erinnern die Konflikte innerhalb der Handlung und die Verhaltensweisen, die die Figuren an den Tag legen, an Sandkastenspiele: Die Figuren treten weniger als Erwachsene und stärker als große Kinder auf. Der Erzählstil von Christoph Peters ist häufig parataktisch, erzähltechnisch werden mehrfach schnelle Schnitte genutzt. Trotz der syntaktischen Komplexität ist der Text aber sehr flüssig lesbar und klar formuliert. Insgesamt ist „Der Sandkasten“ ein sezierend geschriebener Roman, der sich (auch satirisch) mit der politischen Kultur der Gegenwart auseinandersetzt.
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