Unter Wasser ist es still von Julia Dibbern

Julia Dibbern Unter Wasser ist es still

Vom Ankommen und Loslassen

Nach fast zwanzig Jahren kehrt Maira zurück in den Ort ihrer Kindheit. Sie will nur eins: ihr Elternhaus räumen, das seit dem Tod ihrer Mutter leer steht, und es so schnell wie möglich an einen Investor verkaufen.
Stück für Stück bereitet Maira das Haus für den geplanten Abriss vor und unausweichlich kehren die Erinnerungen zurück – die Tage am Wasser mit ihren besten Freunden, die magischen Begegnungen mit der Natur der Ostseeküste, die schwere Krankheit und der Verlust ihrer Mutter. Und eine alte Frage will endlich eine Antwort finden: Was ist damals während Mairas letzten Tagen auf dem Darß wirklich geschehen?

Bewegend, mitreißend und ohne Kitsch erzählt Julia Dibbern von der vielleicht letzten Chance einer jungen Frau, sich ihren schlimmsten und besten Erinnerungen zu stellen.

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Leserstimmen Das sagen andere LeserInnen

  • Von: Thomas Lawall

    Unter Wasser soll es "still" sein? Ganz und gar nicht, denn bereits als Achtjährige fragte Maira ihre Mutter: "Warum knistert es unter Wasser?" Nachzulesen in den vielen Briefen, die sie ihrer Tochter geschrieben hat. Womöglich seien es Schalentiere, die für diese Klänge verantwortlich seien. Mutters Erklärung provozierte sofort Mairas nächste Frage: "Unterhalten sie sich so?" Was für eine Wohltat dieses Buch ist! Nach einem entsetzlich blassen und leblosen Roman, den sich der Rezensent unlängst freiwillig angetan hatte, ist dieses Buch eine wahre Offenbarung. Schon die ersten Zeilen verursachen eine Gänsehaut nach der anderen, ein Versinken in eine Geschichte, die mit einem Rückblick beginnt. Maira ging noch zur Schule, doch ihr Alltag unterschied sich von jenem der anderen Kinder erheblich. In der Gegenwart lebt Maira in Frankfurt und arbeitet mit Meisterbrief in einem kleinen Betrieb für Möbelrestaurationen und Innenausstattungen. Ihr Reich und ihr Leben ist die Werkstatt. So auch an jenem 23. Mai, dem Todestag ihrer Mutter. Doch an diesem Tag wird der "Damm zwischen dem Alltag und dem, was im Schlick ihres Unterbewusstseins schwelt" brüchig. Ihr Chef schätzt ihre Arbeit und ihr Engagement für seine Firma sehr und macht ihr auf seine alten Tage ein unerwartetes Angebot. Ob Maira an einer Übernahme des Betriebes interessiert wäre, muss sie sich gut überlegen. Eine Kreditaufnahme wäre unvermeidlich, was, dank einer Sicherheit, kein Problem wäre. Schließlich steht Mutters Haus seit längerer Zeit leer. Da ein Investor Interesse zeigt, macht sich Maira auf den Weg nach Soeterhoop. Zum letzten Mal will sie das Haus, das Gartenhäuschen und die Obstbaumwiese noch einmal sehen, nicht zuletzt um zu prüfen, ob denn der angebotene Preis in Ordnung wäre. "Einmal noch und dann endlich endgültig gehen lassen." Julia Dibbern schreibt in einer Sprache, die alle Sinnesorgane aktiviert. Nacheinander und nicht selten gleichzeitig. Es sind Worte, die riechen, schmecken, hören, fühlen, leuchten und weit in alle Richtungen sehen. Es sind unzählige kleine Wunder aus Leben und Erleben, die uns glücklich machen können, aber auch das Gegenteil nicht wegwischen. Wer in sich hinein hören kann, wird diese Stationen kennen, die keine Um- oder Rückkehr mehr erlauben. Die Worte der Autorin laden zum Verweilen ein, keinesfalls zum Überfliegen. Zu viel würde überlesen oder gar verloren gehen. Leider kann sie die atmosphärische Dichte nicht durchgehend halten. Ein weiterer Wermutstropfen: Leserinnen und Leser ahnen viel zu früh, wie sich Mairas Entscheidung, welche von zentraler Bedeutung ist, gestalten wird. Spannend bleibt es trotzdem, denn es gilt ja auch zu erfahren, wie sich der Tod der Mutter, sowie die näheren Umstände davor und danach, gestaltet haben. Ein ums andere Mal wird man auf die Nebengleise eigener, längst vergessener, Erinnerungen gelockt. Auch Mairas ambivalentes Seelenleben kommt einem doch irgendwie bekannt vor. Es sind jene Tage und Situationen, die zahlreiche Fragen stellen, aber ohne eine Antwort auskommen müssen. "Das ist das Problem, wenn man gleichzeitig einen ewigen Fluchtinstinkt und Angst vor Veränderungen mit sich rumschleppt". "Unter Wasser ist es still" erzählt vom Brechen "emotionaler Deiche", Rettungsringen aus Sachlichkeit und wie sich das überhaupt so mit dem "Ankommen" und dem "Loslassen" gestalten kann.
  • Von: Woertergarten

    Als Kind lebte Maira an der Ostsee bis zum tragischen Tag, an dem sie ihre Mutter für immer verlor. Aber, verloren hat sie sie eigentlich schon früher. Nachdem die junge Frau sich ein Leben als Restauriererin in Frankfurt am Main aufgebaut hat und die Gelegenheit angeboten wird, die Firma ihres Arbeitsgebers zu übernehmen, entscheidet sich Maira dafür, das Haus ihrer Kindheit zu räumen und zu verkaufen. Wenn alles so einfach wäre, gäbe es diesen herzergreifenden Roman nicht. Der Wechsel der Erzählperspektiven verleiht der Geschichte Dynamik. Julia Dibbern hat sich dabei einiges einfallen lassen und begeistert die Leser*innen mit einem flüssigen und lebendigen Schreibstil. Ihre Hauptfigur Maira wirkt in ihren Reaktionen authentisch. Schuldgefühle und Erinnerungen machen sich am Ostsee breit und erlauben den Leser*innen zu verstehen, was Maira als Jugendliche erfahren und erleiden musste und wie sie zu einer zurückhaltenden jungen Frau geworden ist. Der Aufenthalt auf dem Anwesen ihrer Kindheit gibt Maira auch die Chance, alte Freundschaften zu erneuern, die ihr die fehlenden Teile des Puzzles liefern. Wer Maira in ihrer erschütternden Vergangenheit begleitet, wird von den Emotionen überwältigt. Umso mehr, wenn er oder sie schon mit der Krankheit eines Angehörigen konfrontiert wurde. Die Geschichte ist hart. Aber, die Möglichkeiten, die sich für Maira erbieten, nachdem sie ihre Furcht überwindet, geben der Hoffnung Raum: Die Ruhe nach dem Sturm…
  • Von: christiane Fi / hamburger.lesemaus

    UNTER WASSER IST ES STILL Julia Dibbern Vor 18 Jahren: Maira und ihre Mutter leben in einem kleinen Dorf namens Soeterhoop an der Ostseeküste. Hier sind sie glücklich. Während ihre Mutter als Übersetzerin von zu Hause aus arbeitet, liebt es Maira mit ihren Freunden Anna und Jasper im Meer zu baden, nach Walen Ausschau zu halten und die Küste unsicher zu machen. Doch dann geschieht ein großes Unglück … Heute kehrt Maira erstmals nach Soeterhoop zurück. Mit ihren damaligen Freunden Anne und Jasper hatte sie seit ihrem Wegzug nach Hamburg keinen Kontakt mehr. Es fällt ihr schwer, den alten Hof zu betreten - zu viele Erinnerungen verbindet sie mit dem Haus. Heute lebt sie als Restauratorin in Frankfurt und möchte demnächst das Geschäft ihres Chefs übernehmen. Um diesen Plan zu verwirklichen, muss sie den Hof verkaufen. Doch bevor sie den Verkaufsvertrag unterschreibt, möchte sie ein letztes Mal das Haus sichten und sich ihrer Vergangenheit stellen ... Was für eine bewegende Geschichte! Obwohl die Handlung nicht neu ist, gelingt es Julia Dibbern dennoch irgendwie, diese Geschichte neu zu erfinden. Das Buch hat mich dermaßen berührt, dass ich es kaum zur Hand nehmen mochte. Ich hatte buchstäblich Angst davor, dass die Geschichte irgendwann zu Ende sein könnte und ich mich von Maira, Julius und Anne verabschieden muss. Trotz des eindringlichen Themas liest sich das Buch leicht und flüssig. TW: Demenz Große Leseempfehlung von mir. 5+/ 5
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