Rausch und Klarheit von Mia Gatow

Mia Gatow Rausch und Klarheit

Von der Schönheit des nüchternen Lebens

Mia liebt den Rausch. Drama, Drinks und Exzess sind fester Bestandteil ihrer Identität. So schlimm wie bei ihrer Oma und ihrem Vater, die der Alkohol umgebracht hat, ist es bei ihr aber noch lange nicht, denkt sie. Doch als die Nächte ihren Glanz verlieren, die Kater schlimmer werden, und sich eine diffuse Hoffnungslosigkeit in ihr ausbreitet, ahnt Mia, dass sie ihr Leben ändern muss.

Mit sprachlicher Wucht seziert Mia Gatow, wie sich die Sucht in ihre Familie und dann in ihr eigenes Leben schlich. Sie erzählt von den romantischen Mythen, die wir einander erzählen, um den Drink nicht loslassen zu müssen – und von der ungeahnten Schönheit, die sich eröffnet, wenn wir es doch tun.

»Ich möchte dieses Buch allen Leuten schenken, die ich kenne. Man liest es förmlich mit angehaltenem Atem. Es ist wie eine grandiose Ballade – über Abhängigkeit, Sehnsucht und Liebe und über das Leben, das so viel echter sein kann als gedacht.« – Daniel Schreiber

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Leserstimmen Das sagen andere LeserInnen

  • Von: Annika

    Mia schreibt so über das Nüchtern werden, dass man sich beinahe wünscht selbst abhängig gewesen zu sein. Aber wirklich nur beinahe.
  • Von: Olivia Grove

    »Ich kann nicht trinken, und ich kann nicht nichttrinken, vielleicht sollte ich es einfach akzeptieren, denke ich [...].« (S. 16) Abhängigkeit lässt sich auf viele kreative und intellektuelle Weisen neu verpacken und ästhetisieren. Doch meist ist das nur ein Trick, der bitteren Wahrheit und der unangenehmen Realität auszuweichen. »Rausch und Klarheit« ist ein intensiver Erfahrungsbericht, der unser Bewusstsein schärft und uns zwingt, den Blick auf das allgegenwärtige Thema Alkohol zu richten. »Dass der Alkohol rechts und links Leute umbrachte, wusste ich nicht nur aus dem Drogenbericht der WHO. Es passierte seit Generationen in meiner eigenen Familie.« (S. 21) Mia Gatow thematisiert den Mythos des 'Tiefpunkts', der oft als unverzichtbarer Bestandteil des Alkoholnarrativs gilt. Dieser Tiefpunkt muss extrem sein, damit andere Trinkende möglichst lange weitertrinken können: »Unser kollektives Trinken ist auf einem so hohen Niveau, dass die Bilder, die wir brauchen, um uns noch abschrecken zu können, extrem sind.« (S. 17) Die Autorin bricht mit dem Klischee des 'typischen Alkoholikers' und zeigt, dass Sucht allgegenwärtig ist und Alkohol allmählich in jede Ritze des Alltags sickert. »Dann verschmolz alles in einem Wirbel aus Kohlensäure, Zigarettenrauch, pinkem Lippenstift und Bass.« (S. 14) »Alcohol is a hell of a drug« – der einzige Unterschied zu anderen Drogen: Alkohol ist legal. Trotz seiner massiven Auswirkungen bleibt er ein gesellschaftlicher blinder Fleck, während wir uns über Plastikmüll und Feinstaub echauffieren. Auf Seite acht beschreibt sie ihre neu entdeckte Klarheit so: »Banalitäten versetzen dich in Ekstase. Ein Kuss macht dich tagelang high. Reden ist ein Rausch. Atmen fühlt sich an wie Sex haben.« Mit ihrem Buch trifft Mia Gatow den Nerv der Zeit und macht dieses brisante Thema salonfähig.
  • Von: MarieOn

    An dem Tag, als Mia aufgehört hat, ist sie voller Euphorie. Wie sie die Welt jetzt wahrnimmt, das Sonnenlicht, die Vogelstimmen, den Wind in ihrem Haar, sich selbst. Zuvor hatte sie einen Bogen um Selbsthilfegruppen für Ex-Trinkerinnen gemacht, weil einem stets eine aus der Seele spricht, was bedeutet, dass man da richtig ist, hingehört, dass man mit dem Trinken aufhören muss. Mia war eine funktionale Alkoholikerin. Sie trank nicht jeden Tag, doch wenn, dann mehr als sie sich vorgenommen hatte. Sie hatte nicht gleich als Jugendliche damit angefangen, obwohl es viele Berührungspunkte gab, denn sie ist damit aufgewachsen. In ihrer Familie war der Missbrauch von Alkohol normal, nicht der Rede wert. Sie fing damit an, weil es sie zu etwas Besonderem machte, schneller, wilder, verrückter, tiefsinniger, weniger langweilig und spießig. Die Sucht hatte Mia schon vor ihren Alkoholexzessen besessen. Zuerst flutete der Dopaminkick sie in leidenschaftlichen Beziehungen. Sie war nicht wählerisch bei ihren Partnern, bis sie sich auf Männer einschoss, die doppelt so alt waren, wie sie, die gierig war zu gefallen und leicht zu kontrollieren und am Ende emotional ausblutete. Als sie aufhörte, war das nur der erste Schritt, denn danach trat alles in klare Sicht, was zuvor nebulös geblieben war: Meine brennende Wut, meine ungeheilten Kindheitswunden, mein irrationales Verhältnis zu Geld, mein verrücktes Beziehungsverhalten, meine Selbstsabotage, mein Selbstmitleid, meine Ausreden, meine falsche Toleranz … S. 12 Den Tiefpunkt, irgendein wirklich schlimmes Ereignis gab es bei ihr nicht. Ja sicher Blackouts: Man hat ganze Stunden partieller Amnesie erlebt, in denen man wie ein Zombie herumgelaufen ist, sich unterhalten und am Leben teilgenommen hat, ohne selbst dabei gewesen zu sein. S. 17 Fazit: Ich bin ergriffen. Noch nie habe ich eine so glasklare, ehrliche Selbstanalyse einer ehemaligen suchtkranken Frau gelesen. Mia Gatow geht mit klugem, nüchternem, präzisem Erzählstil auf die Suche nach den Mechanismen der Sucht, die vielfältiger nicht sein könnten. Sie zeigt mir ihre Familie, den alkoholkranken Vater, die alkoholkranke Großmutter. Sie erzählt davon, wie die traumatisierte Nachkriegsgeneration in die kapitalistische Falle tappte, die der gestressten Frau Entspannung durch „Frauengold“ und „Klosterfrau Melissengeist“ versprach. Die Autorin verschont weder die emotional unreifen „Sugar Daddies“ noch sich selbst und ihren Hang zu Dramen oder den Hunger nach Aufmerksamkeit und Wertschätzung. Die Autorin hat aus dem Vollen geschöpft und eine Lebenserfahrung gesammelt, die man einer deutlich älteren Frau zutrauen würde. Sie hat sich ihrer eigenen Wahrheit gestellt und emanzipiert. Mia Gatow „spricht mir aus der Seele“ Ihre Geschichte ist meine eigene und ganz sicher die vieler anderer Frauen. Es hat mich getroffen, einen anderen Menschen aussprechen zu sehen, was ich selbst erlebt habe und ich empfinde die gleiche Achtung vor ihr und ihrer Selbsthilfe, wie vor mir. Was für ein wichtiges und auch feministisches Buch, ein Tabubruch.
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