„Nur wenige Zentimeter trennen uns. Wenige Zentimeter und ein Lichtjahr an ungesagten Sätzen.“ (S. 108)
Kiều – das ist der Name, den ihre Eltern ihr gegeben haben, aber sie kann ihn nicht aussprechen. Darum hat die dreißigjährige Journalistin beschlossen, sich in „Kim“ umzubenennen, das ist für sie und ihre Freunde in Berlin einfacher. Ihre Eltern kamen 1968 aus Vietnam nach Deutschland, um zu studieren, aber was sie in ihrer Heimat zurückgelassen haben, was ihre Verwandten er-, viel eher überleben mussten, interessierte sie sich nie. Viel eher hatte sie sich immer gewünscht, in einer deutschen Familie aufzuwachsen, Deutsch zu sein – und es nicht erst mühsam erlernen zu müssen. Bis sie eines Tages eine Nachricht ihres Onkels Sọn aus Kalifornien bekommt: Kiềus Großmutter liegt im Sterben, und die Familie solle zur Testamentseröffnung in die Staaten reisen. Für Kiều beginnt eine Reise in die Vergangenheit ihrer Familie und zu ihrer selbst, zu dem, was sie im Leben wirklich will.
In ihrem Debütroman „Wo auch immer ihr seid“ entspinnt Khuê Phạm eine dramatische, emotionale Familiengeschichte aus verschiedenen Erzählperspektiven und Zeitepochen, die mich auf vielerlei Ebenen gleichermaßen gefordert wie berührt hat. Als alles verbindende Basis beschreibt sie zunächst die gegenwärtigen Probleme der jungen Kiều, die unter der Erwartungshaltung ihrer Familie, speziell ihrer Mutter, leidet, endlich eine Familie zu gründen – aber bitte mit einem Vietnamesen, keinem Deutschen! Sie ist ihrer vietnamesischen Herkunft überdrüssig, tut alles dafür, Deutsch zu sein und akzeptiert zu werden, ist jedoch zwangläufig immer wieder Fragen nach ihrer „wahren“ Herkunft ausgesetzt, stößt auf Unverständnis, wenn sie offenbart, nicht Vietnamesisch sprechen zu können. Dinge, über die ihr Vater Minh bei seiner Übersiedelung nach Deutschland niemals nachdachte: Fernab der Heimat, in der sein Bruder Sọn inmitten des Vietnamkriegs traumatische Erinnerungen machen musste, in der Flucht die Rettung suchte, ihre Familie alles verlor und nun mittellos vor den Trümmern ihrer Heimat steht, verliebt er sich, wird Arzt und lebt sicher in Ost-Berlin. Doch auch hier herrschen Aufstände kommunistischer Gruppierungen, die gegen den Einmarsch der Amerikaner demonstrieren, und ohne sein Wissen findet er sich in ihren Reihen wieder. Bei einem Heimatbesuch, Jahre später, begegnet er seiner Familie unbewusst naiv, ist unvorbereitet auf die Armut, die er sehen würde.
Klug und unfassbar berührend fasst Khuê Phạm das unsagbare Leiden der Zivilisten, den Schmerz und die dunkle Vergangenheit in Worte, macht all das Grauen spür- und erfahrbar, das damals entstand und bis heute im Innern verwurzelt ist, ja, sich auf spätere Generationen in Erziehung und Umgang auswirkte. Mit Voraussicht arrangiert sie die unterschiedlichen Zeitebenen, die unterschiedlichen Blickwinkel der Generationen miteinander, und erschafft so ein imposantes, herzzerreißendes Epos. Die detaillierten historischen wie politischen Beschreibungen zeugen von grandioser Recherchearbeit, brachten mich teilweise an meine Grenzen, zeigten sie mir doch, wie viel Nachholbedarf ich in diesem Hinblick habe. Und so begleitete mich das Buch nach lange nach der letzten Seite weiter, las ich mich quer durch Geschichtsbücher und historische Chroniken zum Vietnamkrieg, der amerikanischen sowie vietnamesischen Historie, volkspopulistischen Bewegungen im geteilten Deutschland. Lange hat mich kein Buch mehr so begeistert, berührt, gefordert – ganz große Liebe!
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