Geschichtsschreibung ist nicht immer eine Wissenschaft der Tatsachen. Allzu oft wird sie umgeschrieben, um den Interessen irgendwelcher Ideologien zu dienen oder werden Fakten ganz einfach falsch überliefert.
Ob eine von Napoleon Kanonen bei dessen Äpyptenfeldzug der Sphinx die Nase herunter geschossen hat, oder ob es doch Obelix war, der beim ungestümen Erklimmen der Sphinx (nachzulesen bei Asterix und Kleopatra) deren Nase versehentlich zerbrochen hat? Beides stimmt nicht, wobei jedenfalls ersteres eine durchaus verbreitete Geschichtslegende ist. Dabei berichten historische Quellen schon ein paar Jahrhunderte vor Napoleon über die beschädigte Nase.
Nachdem unser (Österreichs) Bundeskanzler Nehammer kürzlich mit dem epochalen Ernährungstipp aufhorchen ließ, dass arme Leute ihren Kindern einen Hamburger am Tag zu essen geben sollen, damit die eine warme Mahlzeit hätte, tauchte natürlich auch ein anderes Zitat wieder auf. Jenes, nach dem Marie Antoinette gesagt haben soll, dass die Leute doch Kuchen essen sollen, wenn sie sich kein Brot leisten können. Wie so viele Zitate, die diversen Berühmtheiten zugeschrieben werden, ist auch dieses eines, das im Laufe der Zeit immer wieder anderen in den Mund gelegt wurde. Von Marie Antoinette stammt es jedenfalls nicht, aber zum Zweck des Beweises der Abgehobenheit des französischen Hofes ließ es sich perfekt verwenden. In diesem Fall glaubt die Autorin, die wirkliche Quelle gefunden haben, nämlich ein paar Jahrhunderte zuvor in China; falls nicht auch das schon eine Erfindung war …
Das sind zwei Beispiele für jene Kapitel, in denen die weitgehend bekannten Themen in Augenschein genommen werden. Dazu kommen noch, es ist die Mehrzahl, viele Kapitel mit „unnützem Wissen“, das wohl nur einem kleineren Kreis von Menschen geläufig ist.
Wie ist das mit der Farbe des Mantels vom Nikolaus; der legendäre Kuss von Captain Kirk und Lieutenant Uhrua; wie stand es um die Hygiene im Mittelalter; wer erfand die Glühbirne; fiel der Apfel tatsächlich Newton auf den Kopf; Nero und der Brand Roms; ein paar Fakten über die Inquisition; was war das erste Computerspiel (die gibt es schon länger als wir glauben); welche Gebäude man vom Weltraum aus sehen kann; sind Flacherdler ein Phänomen nur unserer Zeit; wer hat das Selfie erfunden; …
Dennoch, so unnütz kann es gar nicht sein: nachzulesen, wie aus einem Gerücht, einer oft recht plumpen Fälschung oder einem humorvollen Statement nach mehreren Stationen so etwas wie eine scheinbare Wahrheit wird, ist immer wieder erstaunlich.
Man liest sich durch die 101 Kapitel und wird, da bin ich sicher, ein paar oder mehrere Klarstellungen zu Dingen finden, die man bislang ganz anders in Erinnerung hat. Es gibt eben Geschichten, die graben sich so tief in das allgemeine Gedächtnis ein, dass man gar nicht mehr darüber nachdenkt, ob es wahr ist. Vieles davon haben wir gehört, manches irgendwo gelesen und von einigem wissen wir wahrscheinlich gar nicht mehr, wie es in unsere Köpfe kam. Doch ganz egal wie es geschah, es gibt eben Legenden, die halten sich über Generationen – und werden auch durch ein Buch wie dieses nicht aus der Welt geschafft.
Manche der Dinge, die so nie passiert sind, wurde ich nicht unter “Geschichte”, sondern in die Rubrik Boulevard einordnen. Was aber nicht bedeutet, dass solche Storys keinen Platz in diesem Buch haben sollten. Sind es keine historischen Ereignisse, so sind es doch Beispiele dafür, wie ein Geschehen in etwas gänzlich anderes umgedeutet werden kann oder wie das Motiv auf eine Fotografie plötzlich als etwas völlig anderes beschrieben wird.
Und für das alles war auch in der Vergangenheit ganz ohne künstliche Intelligenz nötig, das schafften die Menschen immer schon ganz alleine
Man könnte sich nun einfach über die Leichtgläubigkeit der Menschen amüsieren, aber leider hat die jüngste Vergangenheit gezeigt, dass sich Demagogen und Ideologen genau das zunutze machen. Dokumente aller Art werden umgedeutet, gefälscht, solange bis es in irgendein verworrenes Weltbild passt. Wenn man selbst auch nicht die ganzen Verschwörungstheorien glaubt, so ist man doch auch von deren Wirkung betroffen. Weil sich eben viel zu viele Menschen von solchem Unsinn überzeugen lassen.
Das ist zwar einerseits bedauerlich, aber immerhin ist man nach der Lektüre dieses Buches über „Fake History“ gut gerüstet, um den Mitmenschen die Wahrheit zu enthüllen, wenn es angebracht ist :-)
Dazu kommt, dass das ganze Buch äußerst unterhaltsam ist und auch wirklich überraschende Fakten enthüllt.
Ein Zitat, das einem Reporter aus dem Jahr 1877 zugeschrieben wird, passt heute noch haargenau als Zusammenfassung:
Die Leute glauben lieber eine gute Story als die trockene Wahrheit
Leserstimmen Das sagen andere LeserInnen
Von: Bookishbesties
Von: losgelesen
Von: readingmakesmefeellike
Von: when_you_read_you_live
Von: Frank-Michael Preuss
Von: notwithoutmybooks
Von: Leseratte06
Von: wanderer.of.words
Von: kerstin_liest
Von: Maribel
Von: huckleberryfriendz
Von: Andreas
Von: Buch SUCHT Blog
Von: Through_the_crystalball
Von: brigitta
Von: Tara
Von: Streifis Bücherkiste
Von: rezensionen-wichmann