Friedensprojekt Europa? von Hans Joas

Hans Joas Friedensprojekt Europa?

Quo vadis, Europa?

Ist der stabile Friede in Europa gefährdet? Zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wird aus guten Gründen der Friede zu den hauptsächlichen Errungenschaften des europäischen Einigungsprozesses gezählt. Heute stellt sich aber nicht nur die Frage, ob dieser Friede in Richtung auf verstärkten Nationalismus gefährdet sein könnte. Es ist vielmehr auch offen, ob Europa bei einer gelingenden Verstärkung der gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik lediglich zu einer weiteren eigeninteressierten Großmacht auf globaler Ebene werden wird. Muss Europa nicht auch in der Politik gegenüber Staaten, die der europäischen Friedensordnung nicht angehören, den Prinzipien folgen, die sich als so segensreich für Europa erwiesen haben?

Das Buch versucht, anhand historischer Überlegungen diesen Fragenkomplex aufzuhellen. Daraus entsteht ein Bild der gegenwärtigen Lage, das den Hoffnungen und Idealen Europas ebenso gerecht zu werden versucht wie den tragischen Konstellationen, zu denen internationale Machtpolitik immer wieder führt.

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Leserstimmen Das sagen andere LeserInnen

  • Von: Helmut A. Müller

    Wenn der 1948 in München geborene und derzeit an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin lehrende Soziologe und Sozialphilosoph Hans Joas hinter seinen Titel ›Friedensprojekt Europa?‹ ein Fragezeichen setzt, fragt er, ob und wie der seit 70 Jahren stabile Friede im westlichen Europa trotz der derzeit verstärkt propagierten nationalstaatlichen Interessen und des lauter werdenden Rufs nach einer gemeinsamen Verteidigungs-, Sicherheits- und einer damit einhergehenden Großmachtpolitik erhalten werden kann. Unter Imperialismus kann mit dem Globalhistoriker Jürgen Osterhammel „›ein großräumiger hierarchisch geordneter Herrschaftsverband polyethnischen und multireligiösen Charakters“ verstanden werden, „dessen Kohärenz durch Gewaltandrohung, Verwaltung, indigene Kollaboration sowie die universalistische Programmatik und Symbolik einer imperialen Elite […] gewährleistetet wird …‹“ (Osterhammel nach Joas S. 33). Der Blick auf die USA zeigt, dass innerstaatlich hoch gehaltene Friedensideale und groß-machtpolitische Interessen durchaus unter einem Hut Platz finden. Könnte Europa in einer post-Hobbesschen Ordnung aber nicht doch zu einer anderen Art von globalem Akteur ohne militaristische Denktraditionen und Handlungsweisen werden? Bei dem deutschen Sozialhistoriker Otto Hintze kann man nach Joas lernen, dass föderalistische Elemente, wie sie im Völkerbund wirksam geworden sind, Imperien zwar zähmen und zu Friedensordnungen machen können. Aber der „›föderale‹ oder ›föderalistische‹ Imperialismus“, den Hintze 1928 in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg verortet und den Joas mit ›postnationalen‹ Imperialismus übersetzt (Joas S. 32), zwingt zur Frage, „ob tatsächlich eine Schwächung der Nationalstaaten und eine Reduzierung des Nationalismus einhergehen kann mit der Entstehung einer neuen Form des Imperialismus“ (Joas S. 34). Joas antwortet mit Ja, wenn der Bezugspunkt weder Nationalismus noch eine Föderation von Staaten ist. „Der normative Bezugspunkt muss…für moralische Universalisten, ob für Aufklärer oder Christen oder andere, selbstverständlich jenseits des Nationalstaats, aber auch jenseits einer spezifischen Föderation von Staaten liegen. Er muss die ganze Menschheit sein, die heutige Menschheit, aber auch die künftigen, noch gar nicht geborenen Generationen…Supranationale Gebilde sind nicht per se normativ den Nationalstaaten vorzuziehen. Föderationen können zwar normativ vorzuziehen sein. Aber nicht jede Föderation ist demokratisch; nicht jede entspricht auch in ihren Außenbeziehungen den Idealen, mit denen sie sich rechtfertigt…Eine vorbehaltlose Identifikation mit »Europa« müsste sich für moralische Universalisten verbieten. Wie in anderen Politikfeldern auch kann Europa als solches nicht der höchste Wert auf dem Gebiet der Verteidigungspolitik sein. Höchste Werte sind für mich Demokratie, Wohlfahrtsstaat, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Frieden. Wenn Schritte zu stärkerer europäischer Integration diesen Werten dienen, halte ich sie für gerechtfertigt. Wenn nicht, dann nicht“ (Joas S. 92 ff.). Damit kommen Grundüberzeugungen und Werte zur Geltung, die Dietrich Bonhoeffer 1934 in seinem Aufruf zu einem Friedenskonzil auf der Fanö-Konferenz formuliert und die der Ökumenische Rat der Kirchen 1983 in Vancouver in seiner Einladung zu einem konziliaren Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung für maßgeblich erklärt hat: „Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg der Sicherheit. Denn Friede muß gewagt werden…Friede ist das Gegenteil von Sicherung. Sicherheit fordern heiß Mißtrauen haben, und dieses Mißtrauen gebiert wiederum Krieg. Sicherheiten suchen heißt sich selber schützen wollen. Frieden heißt sich gänzlich ausliefern dem Gebot Gottes, …, in Glaube und Gehorsam dem allmächtigen Gott die Geschichte der Völker in die Hand legen und nicht selbstsüchtig über sie verfügen wollen. Kämpfe werden nicht mit Waffen gewonnen, sondern mit Gott“ (Bonhoeffer 1934 auf der Fanö-Konferenz).