Lückenleben von Katrin Seyfert

Katrin Seyfert Lückenleben

Vom Umgang mit einem unheilbar Kranken in der Familie und den Erwartungen von außen, die das Leid noch schlimmer machen

Fünf Jahre hat Katrin Seyfert ihren Mann durch seine Alzheimer-Erkrankung begleitet. Anfang 50 war er, als er die Diagnose bekam, Arzt und Vater von fünf Kindern. Sie hat den Familienalltag organisiert, die Finanzen, den Pflegedienst. Schließlich die Beerdigung. Schonungslos offen und brutal ehrlich erzählt sie davon, wie es ist, wenn der Partner allmählich seine Sprache und damit seine Identität verliert. Wie sie mit der Rolle hadert, die ihr erst als pflegende Ehefrau, dann als Witwe zugeschrieben wird. Und wie sie ihren eigenen Weg findet, sich mit der Lücke, die ihr Mann hinterlassen hat, zu arrangieren. Das Leben schlug zu, mit ihren Texten schlägt sie zurück: gegen die Konventionen, gegen die Tabus, gegen die Selbstverleugnung.

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Leserstimmen Das sagen andere LeserInnen

  • Von: Daniel Pietrzik

    Das Buch "Lückenleben" von Katrin Seyfert, veröffentlicht von der Deutschen Verlags-Anstalt in seiner zweiten Edition 2024, eröffnet schonungslos ehrliche Einblicke in die Herausforderungen, die die Alzheimer-Erkrankung eines geliebten Menschen mit sich bringt. Die Autorin, ein Pseudonym einer renommierten Journalistin, zeichnet in ihrem Werk die erschütternde Reise durch die Alzheimer-Erkrankung ihres Mannes Marc nach, beginnend mit seiner Diagnose im frühen Alter von Anfang 50. Mit einer berührenden Direktheit und brutalen Ehrlichkeit beschreibt Seyfert die schmerzhaften Veränderungen, die Marc durchleben musste, als er allmählich seine Sprache und damit einen Teil seiner Identität verlor. Es ist nicht nur ein Kampf gegen eine verheerende Krankheit, sondern auch gegen soziale Konventionen und persönliche Unsicherheiten, die im Umgang mit dieser Situation entstehen. Besonders beeindruckend ist die Darstellung des Alltags, der sich um die Pflege dreht. Katrin Seyfert schildert detailliert, wie sie die Verantwortung für Finanzen, Pflegedienste und letztendlich die Organisation der Beerdigung übernahm. Ihre Sicht auf die Rollen, die ihr zugeschrieben wurden – erst als pflegende Ehefrau und dann als Witwe – offenbart tiefgreifende gesellschaftliche Erwartungen und den oft isolierenden Trauerprozess. Die literarische Qualität des Buches ist hervorzuheben. Trotz der ernsten Thematik wird der Text nie zu schwer oder unzugänglich. Seyfert nutzt eine präzise Sprache, die von Fachbegriffen bis hin zu umgangssprachlichen Ausdrücken reicht, und schafft es so, die Realität der Alzheimer-Erkrankung greifbar zu machen. Die Mischung aus persönlichen Anekdoten und kritischen Reflexionen über die Rolle der pflegenden Angehörigen bildet einen lehrreichen Kontrast, der zum Nachdenken anregt. Die Reaktionen der Presse, wie sie im Probsteier Herold oder im Standard zitiert werden, bestätigen die emotionale und literarische Wirkung des Buches. Leser sind eingeladen, ihre Gefühle frei zu erleben – sei es Trauer oder ein Anflug von Hoffnung. Auffallend ist auch die feministische Perspektive, die sich insbesondere in der Auseinandersetzung mit den Rollenerwartungen an trauernde Frauen zeigt. Die Doppelstandards, die pflegende Männer oft als Helden und pflegende Frauen als selbstverständliche Versorgerinnen porträtieren, werden kritisch hinterfragt und fordern die Leser heraus, über traditionelle Geschlechterrollen nachzudenken. Das Buch enthält zudem nützliche Literaturhinweise für jene, die sich tiefer mit dem Thema Alzheimer und dessen Auswirkungen beschäftigen möchten. Diese wissenschaftlichen und autobiographischen Quellen ergänzen die persönliche Erzählung Seyferts und bieten eine umfassende Ressource für Betroffene und Interessierte. Insgesamt ist "Lückenleben" ein empfehlenswertes Werk, das nicht nur für direkt Betroffene von Alzheimer, sondern auch für ein breiteres Publikum von Interesse ist. Es beleuchtet die menschliche Seite einer Krankheit, die allzu oft in klinischen Begrifflichkeiten und Statistiken verloren geht. Katrin Seyferts mutiger und offener Bericht verdient große Anerkennung und bietet tiefe Einblicke in die emotionalen und sozialen Herausforderungen, die mit Alzheimer verbunden sind.
  • Von: Annette Traks

    Marc, der Ehemann von Katrin Seyfert, der Vater ihrer 8, 10 und 12 Jahre alten Kinder und selbst Arzt, ist Anfang 50, als er zwei Jahre nach den ersten Symptomen die Diagnose „Alzheimer“ bekommt. Es ist eine Erkrankung, die man nicht kontrollieren kann. Bis zu dem Zeitpunkt ist er immer der Starke gewesen und „Bei 'Wer wird Millionär' wäre er weit gekommen.“ (E-Reader Pos. 114, 3%) In den folgenden 5 Jahren, in denen ihr Ehemann immer mehr seine Autonomie und Identität, sie selbst mehr und mehr die Liebe ihres Lebens an die Krankheit verliert, muss Katrin Seyfert immer häufiger alles das gemeinsame Leben Betreffende planen und organisieren, die Lücken ausfüllen. Das betrifft z.B. den Alltag der gesamten Familie, schulische Angelegenheiten und Hobbys der Kinder, die Pflege des Mannes, die Finanzen, einen Pflegedienst, nicht zuletzt die eigene Berufstätigkeit … und zuletzt die Beerdigung in Marcs Sinne. Sie hat bald festgestellt, dass es 2 Ebenen in Bezug auf die Krankheit gibt. Die eine ist die medizinische, beinhaltet Arztbesuche, Therapie, Pflege (-unterstützung). Die zweite umfasst das gesamte Familienleben und den Alltag mit allen Facetten – etliche Bereiche, die sich durch die Krankheit ändern, und die Angehörigen in vielerlei Hinsicht extrem fordern. Katrin Seyfert, von Beruf Journalistin, geht auf verschiedene Aspekte ein, so z.B. . die Anfangsphase, als ihr Mann die ersten Anzeichen verdrängt, . das Fortschreiten der Krankheit, . die Konsultationen bei verschiedenen Ärzten und den Umgang miteinander (Stichworte: Humanität, Empathie, Pragmatismus), . die wohltuende Einbeziehung von Nachbarn, Freunden und Bekannten, aber auch deren hilflos-wohlmeinende Phrasen, . den erforderlichen Einfallsreichtum beim Managen des Alltags und den Symptomen der fortschreitenden Krankheit, . finanzielle und bürokratische Probleme, . Pflegedienst und Heimunterbringung, . prämortale Trauer, . Würde, Konventionen, Tabus, Klischees, . Burnout, . die Rolle als Witwe, den Umgang mit Trauer, und vieles andere mehr Resümee: Katrin Seyfert schildert die verschiedenen Aspekte des Zusammenlebens mit dem Alzheimer-Erkrankten sowie ihre erste Zeit als Witwe aus ihrer subjektiven Sicht, und das sehr offen, oft auch bitter-ironisch, wenn nicht sogar verbittert. Das Leben und langsame Sterben mit einer unheilbaren, ständig fortschreitenden und sich der Kontrolle entziehenden Krankheit wie in diesem Fall Alzheimer ist sowohl für den Erkrankten als auch für dessen Angehörige ein Fulltime-Job. Er stellt das gesamte vorige Leben auf den Kopf und erfordert ein Höchstmaß an Organisation, Flexibilität, psychische und physische Kraft. Die Autorin spricht von einer Ehe zu dritt, in der der 3. unberechenbare „Partner“ immer mehr Raum beansprucht. Vieles in diesem Buch Gesagte kann man als Angehöriger, der selbst einen unheilbar Kranken pflegt oder bis zu seinem Tod gepflegt hat, sehr gut nach-vollziehen. Das hilft etlichen Betroffenen sicher, mit dieser extrem belastenden Lebensphase umzugehen: Es kann ein Trost sein zu wissen, dass man nicht alleine eine derart existenzielle Zeit durchmachen muss, und man bekommt vielleicht die ein oder andere nützliche Anregung. Allerdings muss man auch bedenken, dass gerade die Art der Bewältigung von Krankheit und Trauer sehr individuell und von vielen inneren und äußeren Faktoren abhängig ist. Und genauso individuell ist das Maß, in dem der Leser für seine aktuell eventuell ähnliche Situation oder zukunftsorientiert etwas aus dem Buch herausziehen kann. Offensichtlich sieht Katrin Seyfert das ähnlich, denn in einem Focus-Interview mit Elisabeth Hussendörfer hat sie am 18.04.2024 gesagt: „Das Letzte, was ich will, ist jedenfalls rüberkommen wie eine, die glaubt, vieles besonders gut gemacht zu haben. Ich wollte und will keine Tipps geben. Ich versuche mir gerade vorzustellen, ich hätte damals so ein Buch in die Finger bekommen. Doch, ich glaube schon, das ein oder andere wäre wohltuend gewesen: Guck mal, da scheitern andere auch gerade, da erfreuen sie sich an einer absurden Situation, da finden sie eine originelle Lösung… Und wenn es am Ende nur Kleinigkeiten sind, in denen man sich wiedererkennt…“ Durch viele intellektuelle Exkurse zu Philosophen, Philologen, Wissenschaft-lern ist der Schreibstil anspruchsvoll. Auch aus diesem Grund ist es kein Buch, das man mal eben herunterlesen kann. Fazit: Es ist insgesamt ein sehr persönliches und in jede Richtung emotional bewegendes Werk: Mal bedauerte ich Katrin Seyfert und die gesamte Familie, war voller Empathie oder zumindest Verständnis. Dann wieder bauten sich Aggressionen auf, wenn ich – natürlich! Siehe oben! - ihre Einstellung, ihr Denken und Handeln überhaupt nicht nachvollziehen konnte, mir vorstellte, dass ich in vergleich-barer Lage (ganz) anders handeln würde. Aber: Wer weiß, wie es ist, wenn man wirklich in der Situation steckt!? Vieles stellt sich dann erfahrungsgemäß ganz anders dar.