CN: v. a. Ableismus; Erwähnung von häuslicher/ sexueller Gewalt
INHALT:
Werdenfelser Land, 1886: Vroni Grasegger ist erleichtert, als ihr Ehemann Ludwig unter der Erde liegt. Im tiefsten Winter ist er im Suff gestürzt und erfroren.
„Wie konnte ein Mensch, der so laut und mächtig war wie der Bauer, plötzlich tot sein?“
Sie kann ihr Glück kaum glauben. Endlich ist sie seinen Misshandlungen nicht mehr ausgesetzt.
Doch die Narben und Wunden erinnern noch an die vergangene Zeit ...
Auf dem Friedhof in Loisbichl stehen die Leute im Matsch und kondolieren der Bäuerin: „Du musst jetzt dein Zeug zusammenhalten, Bäuerin, und stark sein“, rät man ihr. „Ich sag dir, wenn du es gescheit anstellst, bringst du es noch zu was. Mit deinem Hof und deinem Gesicht. Aber gescheit musst du es anstellen, gescheit.“
Doch das ist einfacher gesagt als getan. Denn von nun an muss die 23-jährige Vroni den Bergbauernhof auf dem Geißschädel allein mit dem Knecht und der Magd bewirtschaften. Die Arbeit ist schwer und anstrengend. Außerdem fehlt es ihr an Fachwissen: Wie soll der Wald bewirtschaftet werden? Welchen Preis kann sie für die Kälber verlangen? Wann muss mit der Heumahd begonnen werden?
Und dann ist da noch das Rosl, ihre 7-jährige Stieftochter, die ihr sehr ans Herz gewachsen ist. Doch das Kind, das von anderen stets „Idiotenkind“ genannt wird, ist anders als andere Kinder in seinem Alter und benötigt mehr Unterstützung im Alltag. Ebenso der ältere Onkel, der auch mit auf dem Hof lebt.
„Jetzt hatte sie die alleinige Verantwortung für dieses Kind, den Onkel und das Vieh. Heimliches Glück und Sorge lagen auf einmal so dicht beieinander wie die bemoosten Steinbrocken auf den Schindeldächern.“
Nach dem Trauerjahr sind sich alle Dörfler und Bauern einig, dass die Graseggerin schleunigst einen neuen Mann braucht. Doch die denkt gar nicht daran, sich auf schnellstem Wege wieder zu binden – jetzt, da sie ihre Freiheit wieder hat!
Bis der Kunstmaler Wilhelm Leibl im Dorf auftaucht. Ein Städter, auf der Suche nach neuer Inspiration …
MEINUNG:
Die letzten Jahre habe ich ruhigere, beschauliche Romane, die auf dem Land spielen, lieben gelernt.
Daher war auch „Heumahd“ ein guter Griff ins Bücherregal. Mich hat es thematisch sehr an „Bergland“ von Jarka Kubsova erinnert. Wenn ihr eines der Bücher mochtet, schaut euch unbedingt auch das jeweils andere an!
Anfangs war ich verwundert, dass die Bäuerin so erleichtert über den Tod ihres Mannes ist. Doch je mehr man von den Misshandlungen und der schrecklichen Zeit vorher erfährt, desto mehr kann man die Graseggerin verstehen. Ich habe mit ihr mitgefiebert und sie für ihre Entschlossenheit und ihre Stärke bewundert. So habe ich sie, ebenso wie ihre Stieftochter, schnell ins Herz geschlossen.
Das Roserl scheint den Beschreibungen nach, das Downsyndrom zu haben. Es hat mich sehr wütend gemacht, wenn sie von anderen als weniger wert betrachtet, geärgert oder verletzt wurde.
Ganz schlimm fand ich, dass sie so oft als „Idiotenkind“ bezeichnet wird. Selbst von der Graseggerin, die die Entwicklung des Kindes und dessen Fähigkeiten und bedingungslose Liebe zu schätzen weiß. Mir ist bekannt, dass Menschen mit Behinderung es früher noch viel schwerer hatten. Aber da hätte ich mir wenigstens von der Bäuerin gewünscht, dass sie in ihren Gedanken das Roserl öfter beim Namen nennt, statt dem diskriminierenden Begriff. Auch eine Erklärung zur Verwendung des Wortes hätte ich am Buchanfang bevorzugt.
Die Entwicklung des Kindes habe ich mit großem Interesse verfolgt.
Insgesamt geht es handlungstechnisch eher beschaulich zu, der Fokus liegt auf der landwirtschaftlichen Arbeit auf dem Hof und den Feldern. Die Atmosphäre dort wird lebendig wiedergegeben und lässt Bilder vor den Augen entstehen.
Ich habe mich jedes Mal gefreut, wenn ich weiterlesen und damit zum Schauplatz zurückkehren konnte, weil ich ihn sehr mochte.
Die Arbeit ist hart, die Winter sind kalt und die Bauern sind den jeweiligen Wetterverhältnissen ausgesetzt.
Und spätestens, wenn der Regenschirm als Luxusgegenstand betrachtet wird und sich der Kuhstall, wegen der abgebenden Wärme, direkt neben dem Schlafzimmer befindet, merkt man, dass das noch ganz andere Zeiten waren.
Ein paar für mich neue Begriffe aus der Landwirtschaft, konnte ich auch entdecken.
Toll finde ich außerdem, dass sich die Autorin bei diesem Roman nicht nur von der Region in Bayern, sondern auch von einem Gemälde hat inspirieren lassen: „Bauernmädchen mit weißem Kopftuch“ von Wilhelm Leibl. Sowohl der Maler als auch das Bild kommen im Buch vor.
FAZIT: Die Szenerie bleibt noch lange im Kopf. Wer ländliche Romane, die Arbeit auf einem Bergbauernhof und starke Frauenfiguren in Büchern mag, sollte sich „Heumahd“ mal anschauen! 4,5/5 Sterne!
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